Mieterdienstbarkeiten – eine komplizierte Dreiecksbeziehung
Mieter gewerblich genutzter Immobilien stecken oft große Summen in die Entwicklung der gemieteten Flächen. Diese Investition wollen sie vor einer Insolvenz des Vermieters schützen, meist mit der im Grundbuch eingetragenen Mieterdienstbarkeit. Im Dreieck Eigentümer – Mieter – finanzierende Bank kann ihre Rolle aber problematisch sein.
Dreiecksbeziehungen sind oft schwierig. Das gilt auch für die Vermietung gewerblich genutzter Immobilien. Hier tritt neben das Vermieter-Mieter-Verhältnis noch die finanzierende Bank. Alle drei Parteien haben legitime Interessen. Beispielsweise wollen sie sich gegen Liquiditätsschwierigkeiten oder gar die Insolvenz eines Vertragspartners bestmöglich absichern. Naturgemäß stehen diese Interessen oft im Konflikt miteinander.
Absicherungsinstrument für Mieter
Wird der Vermieter einer gewerblich genutzten Immobilie insolvent oder wird diese Immobilie zwangsversteigert, muss der Mieter, der häufig große, immobilien-spezifische Investitionen getätigt hat, meist einen Verlust in Kauf nehmen. Der Entzug der Mietsache kann sogar eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz für ihn bedeuten. Der Mieter kann im Vorfeld versuchen, diese Risiken auszuschließen oder wenigstens zu begrenzen.
Ein probates Mittel hierfür ist die Mieterdienstbarkeit. Juristen bezeichnen sie als eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Sie wird zu Gunsten des Mieters in das Grundbuch eingetragen. Sie soll das Nutzungsverhältnis des Mieters für den Fall der Insolvenz des Vermieters oder der Zwangsversteigerung sichern. Das ist legitim, denn ein vertragstreuer Mieter hat Liquiditätsschwierigkeiten seines Vermieters nicht verursacht. Die Mieterdienstbarkeit beschränkt jedoch die Kündigungsmöglichkeiten des Erwerbers im Falle des Insolvenzverkaufs oder des Erstehers in der Zwangsversteigerung. Macht der neue Eigentümer von seinem (Sonder-)Kündigungsrecht Gebrauch, tritt der Sicherungsfall ein: Der Mieter kann sich auf seine Rechte aus der Mieterdienstbarkeit berufen.
Der Erwerber bzw. Ersteher steht in diesem Fall allerdings nicht mit leeren Händen da. Er hat Anspruch auf die volle Miete bzw. das volle Nutzungsentgelt. Letzteres tritt – soweit zwischen Mieter und Vermieter zuvor vereinbart – an die Stelle der Miete für den Fall des Wegfalls der mietvertraglichen Regelungen durch Ausübung eines Sonderkündigungsrechts. Aus der Weiternutzung der Flächen durch den Mieter folgt dann kein materieller Nachteil für den Erwerber.
Rangverhältnis zwischen Mieterdienstbarkeit und Grundpfandrecht
Eine gute Absicherung – für den Mieter. Es gibt jedoch einen weiteren Beteiligten, dessen Investition gefährdet ist, wenn der Eigentümer insolvent wird: die finanzierende Bank. Sie ist ebenfalls im Grundbuch abgesichert, und zwar meist mit einer Grundschuld. Die Frage, in welchem Rangverhältnis Mieterdienstbarkeit und Grundschuld im Grundbuch zueinanderstehen, ist besonders pikant. Hier treten die gegensätzlichen Interessen von Mieter, Eigentümer und Bank deutlich hervor. Eine Antwort ist nicht leicht zu finden, denn die Probleme im Zusammenhang mit dem Sicherungsmittel „Mieterdienstbarkeit“ sind vielgestaltig und erfordern in jedem Fall eine individuelle Lösung. Holzschnittartig lassen sich aber doch einige Grundaussagen treffen.
Individuelle Lösung erforderlich
Ist die Mieterdienstbarkeit bereits an erster Rangstelle im Grundbuch eingetragen, wird die Darstellung einer (weiteren) Finanzierung für den Eigentümer schwierig. Eine an erster Rangstelle eingetragene Mieterdienstbarkeit stellt eine finanzierende Bank regelmäßig vor einige Probleme. Mögliche negative Auswirkungen zeigen sich beispielsweise bei einer Zwangsversteigerung des Grundstücks.
Der Vorrang kann die Verkehrsfähigkeit der Immobilie deutlich einschränken. Das ist gleichbedeutend mit dem Risiko eines geringeren Versteigerungserlöses, und das wollen regelmäßig weder Eigentümer noch Bank eingehen. Ein Nachrang der Mieterdienstbarkeit zu einem Grundpfandrecht wiederum ist für den Mieter nur auf den ersten Blick nachteilig. Wird bei einer Zwangsversteigerung ein Zuschlag erteilt, erlischt die Mieterdienstbarkeit.
Trotzdem ist der Mieter dann nicht rechtlos: aus dem Erlösanteil nach Befriedigung der vorrangigen Grundschuld ist ihm der Wert seines Rechts in Form einer Geldrente zu ersetzen. Das Zwangsversteigerungsgesetz beschränkt diesen Wertersatz auf maximal den 25-fachen Jahreswert des Rechts. Zu dessen Bestimmung werden im Einzelfall unterschiedliche Berechnungsmethoden herangezogen. Dabei kann neben der Restlaufzeit des Mietvertrages auch der Reingewinn des Mieters ein wertbildender Faktor sein.
Liegenbelassungserklärung
Die Bank kann dem Mieter das mit dem Nachrang verbundene Risiko des Rechtewegfalls ebenfalls erleichtern. Ihr Entgegenkommen nennt sich „Liegenbelassungserklärung“. In dieser Vereinbarung mit Mieter und Eigentümer verpflichtet sie sich dazu, bei einer Zwangsversteigerung und bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen den Antrag auf Bestehenbleiben der Mieterdienstbarkeit zu stellen. Im Gegenzug verpflichten sich die Mietvertragsparteien, weder den Mietvertrag noch den Inhalt der Mieterdienstbarkeit ohne die Zustimmung der Bank zu ändern. Auch ist ein Wertersatz für die Mieterdienstbarkeit zu vereinbaren.
Werden diese Vereinbarungen sorgfältig formuliert, können sie die mit dem Nachrang verbundenen Nachteile für den Mieter erfahrungsgemäß verlässlich ausgleichen.
Die Liegenbelassungsvereinbarung schränkt allerdings zunächst den Kreis der potenziellen Ersteher in einer Zwangsversteigerung ein. Wer die Immobilie zur eigenen Nutzung oder zur Vermietung an Dritte ersteigern will, wird bei Vorliegen einer solchen Vereinbarung nicht mitbieten. Wie bei der vorrangigen Mieterdienstbarkeit hat der Eigentümer, der möglichst viele Interessenten ansprechen möchte, daran auf den ersten Blick kein Interesse. Doch die oben bereits angesprochene Erforderlichkeit individueller Lösungen bedeutet, dass sich aus einer solchen Konstellation auch ein großer Vorteil ergeben kann: Die Möglichkeit, zusätzlich zum Objekt einen bereits vorhandenen „attraktiven Ankermieter“ quasi als „Zugabe“ mit zu ersteigern, ist für etliche Investoren interessant. Auch die Bank will regelmäßig bestehende Ankermieter auch nach einer Zwangsversteigerung im Objekt halten. Das hebt den Nachteil der Liegenbelassungserklärung in der Regel mehr als auf.
Gerechter Interessenausgleich
Das geschilderte Dreiecksverhältnis von Mieter, Vermieter und Bank gestattet keiner Seite eine vollständige Durchsetzung ihrer Interessen. Ein gerechter Interessenausgleich lässt sich aber finden, konstruktive Verhandlungen bahnen in der Regel einer für alle Seiten akzeptablen Lösung den Weg. So ist der Mieter zwar auf die Eintragung einer Mieterdienstbarkeit angewiesen. An erster Rangstelle ist sie jedoch weder im Interesse des Eigentümers noch in dem der Bank. Das in dieser Situation erzielbare Optimum ist meist die nachrangige Mieterdienstbarkeit. Sie kann mit einer Liegenbelassungsvereinbarung und der vertragsmäßigen Wertbegrenzung der Mieterdienstbarkeit abgerundet werden. Spätestens mit diesen Ergänzungen kommt diese Lösung einem gerechten Interessenausgleich zwischen den beteiligten drei Parteien regelmäßig sehr nahe.
Hinweis
Das Ergebnispapier des vdp zu Mieterdienstbarkeiten von 2009 ist online nicht verfügbar und wird seitens des vdp nur an Mitgliedsinstitute herausgegeben.