#wirimwandel: Interview mit Jan Walther
Krieg, Energieversorgung, Inflation: Die Welt steht vor enormen Herausforderungen und einer grundlegenden Wende. Wie stellen Sie sich in Ihrem Institut auf diesen Wandel ein?
Der Wandel hat nicht erst mit den jüngsten Ereignissen begonnen, gleichwohl die immense Aggregation an Krisen in den letzten drei Jahren den Wandel stark beschleunigte. Der russische Angriffskrieg, die jetzt daraus resultierende Energiekrise, die instabilen Lieferketten als Folgen der Corona-Krise sowie die ebenfalls damit einhergehende angebotsinduzierte Inflation durch die Verteuerung der Preise haben massive Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Vor allem der Finanzsektor muss sich darauf einstellen und seine Resilienz stärken. Die Menschen können und wollen sich weniger leisten, die Nachfrage nach Krediten und Finanzierungen sinkt, zeitgleich werden zinsbedingt Spar-und Einlagenprodukte konventioneller Art wieder attraktiver. Es ist für viele Verbraucher eine sehr herausfordernde Zeit – gerade jetzt müssen Banken als Partner und Problemlöser fungieren und Vertrauen stärken. Deshalb müssen wir unser Produktportfolio immer an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten, Kritik ernst nehmen und innerhalb einer Transformation mit einem radikalen Wandel der externen Umwelten lernen, was wirklich für alle einen Mehrwert bringt und was nicht. Die DKB ist auf dem Weg zu einem Technologieunternehmen mit Banklizenz – wir investieren zusätzlich bis 2024 insgesamt 400 Mio. Euro in die noch umfangreichere Digitalisierung und Automatisierung unserer Wertschöpfungsketten. Investition ist aus unserer Sicht der Schlüssel und keine Stagnation oder ein „Abwarten“. Wandel bedeutet für uns Antrieb und Chancen gleichermaßen und ist für uns keine ad-hoc Reaktion auf die aktuellen Krisen. Bereits Ende 2019 haben wir unsere digitale Wachstumsstrategie verabschiedet und setzen bereits seit Jahrzehnten auf nachhaltig (grün & sozial) ausgerichtete Finanzierungen. Unser wirtschaftliches Handeln zahlt dabei stets auf unsere Vision ein – wir wollen zur sustainable TechBank werden. Nachhaltigkeit verknüpft mit Digitalisierung und Innovationen – vereint unter dem DKB-Dach. Wir leisten, um dies zu konkretisieren, schon seit über 30 Jahren einen elementaren Beitrag zur Energiewende in Deutschland und gelten nicht umsonst als eine der größten Finanzierin von erneuerbaren Energien. Unser Geschäft ist auf zukunftsträchtige und elementar wichtige Branchen aufgebaut, die vor allem nachhaltigen, sozialen und ökologisch wertvollen Ursprungs sind. Dabei zeigen wir immer wieder auf, dass sich Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit nicht ausschließen, sondern gleichermaßen positive Effekte für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft haben. Wir wollen die Zukunft aktiv mitgestalten und sind daher #geldverbesserer und nachhaltiger Partner für unsere Kund*innen.
Die Energiewende und Nachhaltigkeit müssen trotz Corona und Energiekrise in Deutschland vorangebracht werden. Wichtig dabei ist nur, aus den heterogenen Krisen zu lernen - dazu gehört genauso ein gesundes Risikomanagement wie eine gute Vorbereitung auf bevorstehenden Krisen - und unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft dabei gerecht zu bleiben.
Welche wirtschaftliche Entwicklung erwarten Sie für Deutschland in den nächsten drei Jahren, und mit welchen Auswirkungen auf den Immobilien- und Pfandbriefmarkt rechnen Sie?
Die jüngsten Konjunkturprognosen sind negativ und stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Die genauen prozentualen Prognosen sind hierzu sehr heterogen. Eine gute Nachricht ist zwar, dass das Auftragsvolumen der Industrie weiter anwächst, das Umsatzvolumen allerdings kleiner wird, das liegt weiterhin vor allem an Problemen bei der Beschaffung von Material und Rohstoffen. Hinzu kommt der bekannte Fachkräftemangel in Deutschland. Auch die Neujustierung und Stabilisierung der Lieferketten wird noch einige Zeit brauchen. Hinzu kommt die knappe Energieressource, die die Industrie in diesem und nächsten Winter stark belasten wird. Hier ist offen, ob ein milder Winter dies ggf. etwas kompensiert. Insgesamt gehen wir nicht von einer grundlegenden Gefahr für den Industrie- und Dienstleistungsstandort Deutschland aus, sondern von kurzfristigen krisenbedingten Dellen, in der schnelle Erholung jederzeit möglich ist. Nach einem regelrechten Immobilienboom der letzten Jahre, wird der Immobilienrun durch die gestiegenen Bauzinsen (Leitzinserhöhung) sehr wahrscheinlich langsam abebben. Damit könnten erstmals nach langer Zeit nachfrageinduziert die Immobilienpreise wieder fallen und das Immobilienangebot etwas zunehmen. Es ist also durchaus möglich, dass wir den in der Branche bereits proklamierten Wechsel vom Verkäufer- zum Käufermarkt erleben. Gut könnte die Entwicklung für die klimagerechte Sanierung und den Bau von neuen Wohnungen sein: Denn so könnten die fallenden Immobilienpreise durch notwendige Investitionen in Bezug auf energetische Sanierung trotzdem an Wert und Attraktivität gewinnen. Nicht außer Acht lassen sollte man ebenfalls den existenziellen Wohnungsmangel in Deutschland, der bei sinkenden Kaufpreisen jedoch auch für Investitionen privater Unternehmen lukrativer wird. Allerdings hat die Baubranche ebenfalls massiv unter Material- und Produktmangel zu leiden.
Für den Verlauf der Baufinanzierungszinsen wird aber nicht nur die Entwicklung des Leitzinses der EZB als Indikator herangezogen, sondern ebenfalls die Zinskurve für zehnjährige Pfandbriefe. Der deutsche Pfandbriefmarkt ist vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen, die Zinskurve für zehnjährige Pfandbriefe zuletzt gestiegen. Pfandbriefe gelten in der Branche nach wie vor als sehr sicher – auch weil sie meistens mit dem Zinsfuß über den Staatsanleihen liegen.
Kreditinstitute nehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen eine Schlüsselrolle ein. Was ist Ihr Appell an Aufsicht und Politik?
Es geht vor allem darum, gemeinsam die Inflation zu bekämpfen, deutliches Wirtschaftswachstum zu generieren und digitale sowie nachhaltige Transformationsprozesse aktiv zu gestalten, das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Die EZB hat mit der Erhöhung des Leitzinses im Sommer eine historische geldpolitische Entscheidung getroffen und auch mit dem jüngsten Beschluss vom Oktober wurde eine eindeutige Richtung signalisiert. Wir gehen dahingehend von weiteren Maßnahmen aus. Nach zögerlichem Beginn, gilt es diesen Kurs fortzusetzen und auszubauen. Grundsätzlich müssen wir weiterhin der zunehmenden Regulierung durch die Zentralbank und die Europäische Kommission mit Innovation und Flexibilität begegnen. Dazu gehört auch der großen Nachfrage nach unseren Social- und Green Bonds Sichtbarkeit zu verleihen. Denn bei den großen Herausforderungen unserer Zeit steht einmal mehr die Finanzbranche in der Verantwortung. Daher sollte politikseitig das Vertrauen in den Bankenmarkt weiter öffentlich gestärkt werden, um auch die wichtige Enabler-Rolle für eine nachhaltigere, prosperierende Wirtschaft schärfen zu können. Die Banken steuern Finanzströme und besitzen das Potenzial mit Kreditvergaben maßgeblich zu einer positiven Veränderung der Wirtschaft – sozial und grün – beizutragen. Demnach wären stärkere Anreize für bzw. eine Förderung von Nachhaltigkeit und Sustainable Finance für das Bewusstsein der Menschen sicherlich nicht hinderlich.