#vdpmeetsgreen: Interview mit Hans-Dieter Kemler
Die COVID-19-Krise hat in den vergangenen Monaten weltweit den öffentlichen Diskurs geprägt und die Klimakrise etwas verdrängt. Wie bewerten Sie die zukünftige Bedeutung der Klimakrise nach dem Ende der Pandemie?
Der Klimawandel ist die größte durch unser Wirtschaftssystem verursachte Externalität und eines der größten systemischen Risiken für die Gesellschaft. Während der COVID-19-Krise ist das Thema zwar im öffentlichen Diskurs etwas in den Schatten gerückt, es hat jedoch keineswegs an Schärfe und Dringlichkeit verloren. Aus diesem Grund ging auch die Entwicklung in allen relevanten Bereichen - Realwirtschaft, Finanzwirtschaft und Politik/Regulierung - mit voller Dynamik weiter. Der Markt für Sustainable Finance ist nach wie vor klar auf Wachstumskurs. Das Volumen der nachhaltigen Finanzierungsinstrumente ist in den letzten fünf bis sechs Jahren rasant gewachsen und hat auch im Jahr 2020 eine nennenswerte Steigerung erfahren. Für 2021 zeichnet sich sogar eine Verdopplung gegenüber 2020 auf bis zu 2.000 Mrd. USD ab.
Nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise sind außerdem soziale Aspekte der Nachhaltigkeit wie faire Arbeitsbedingungen, Gleichberechtigung, Bildungschancen, bezahlbares Wohnen oder eine gute medizinische Versorgung in den Fokus gerückt. Die anstehende Klimakonferenz COP26 in Glasgow soll die Umsetzung des Pariser Abkommens voranbringen und die Staaten ermutigen, ihre bisherigen Klimaambitionen zu erhöhen*.
Nachhaltigkeit liegt nicht nur in den Händen der Politik. Was kann und muss die Finanzwirtschaft leisten?
Der Finanzbranche kommt eine Schlüsselrolle zu, denn sie bedient einen zentralen Hebel: Mit Hilfe von Sustainable-Finance-Produkten kann sie gemeinsamen mit den Akteuren aus Politik und Wirtschaft dazu beitragen, Kapitalströme so zu steuern, dass die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit gelingt. Die Finanzbranche hat dabei in einem Findungsprozess gemeinsam mit ihren Kunden das Frontrunning für Politik und Regulierung übernommen - und damit die ihr zugedachte Rolle als Transformationsbegleiterin proaktiv eingenommen. Nun rücken Standardisierung, erhöhte Transparenz und Nachprüfbarkeit in der ESG-Finanzierungspraxis in den Blickpunkt.
Was haben Sie im Bereich Sustainable Finance bereits strategisch erreicht und was sind Ihre Ziele?
Auch die Helaba trägt aktiv dazu bei, dass sich nachhaltige Finanzprodukte mehr und mehr zum Standard entwickeln. Sie begleitet ihre Kunden auf deren Transformationspfad hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften - mit einem fokussierten Sustainable-Finance-Advisory-Angebot und einer Produktpalette, die wir um zahlreiche Produkte mit ESG-Komponente erweitert haben. Grundsätzlich sehen wir in uns der Verantwortung, unseren Kunden, die ihre Strategie verstärkt an ESG-Aspekten ausrichten, den Zugang zu einer nachhaltig ausgestalteten Finanzierung oder Anlage zu ermöglichen. Hier stellen unsere etablierten Kundenbeziehungen, unser Produkt- und Sektor-Know-how sowie die Einbettung in die Sparkassen-Finanzgruppe einen soliden Ausgangspunkt dar.
* Das Interview wurde vor der Klimakonferenz geführt.